Digitales Unterrichten in und nach der Pandemie

Juhu! Endlich wieder in der Schule. Live unterrichten. So in echt nur ohne Anfassen. Da sind wir also größtenteils wieder in den Klassenräumen. Zumindest im Grundschulbereich. Zugegeben: So wie „früher“ ist es schon lange nicht mehr. Oder doch? Frontalunterricht lässt grüßen! Wir halten Abstand, wir verzichten auf das Köpfe zusammenstecken, reduzieren Freiarbeitsmaterialien auf ein Minimum, weil wir sonst mit der Putzerei nicht hinterher kommen. Doch Stopp! Wir haben uns und: Wir können nach wie vor die Medienpädagogik sinnvoll einsetzen und so pandemiebedingte Einschränkungen zumindest etwas kompensieren. Wichtig: Bildschirmzeit der Kinder wohl überlegt dosieren!

„Ok. Das klingt jetzt ganz nett, aber wie meinst du das?!“

Idee 1: Die Gruppenarbeit – Kompensation

Zugegeben: Man kann „echte“ Gruppenarbeit nicht ersetzen. Merke ich selbst, wenn ich mit anderen digital zusammen arbeite. Live und in Farbe klappt das einfach viel besser. Jedoch bin ich froh darum, dass es einfache Möglichkeiten der digitalen Vernetzung gibt. Ein Beispiel ist Etherpad. Mit diesem Online-Tool können ganz einfach mehrere Nutzer ein Dokument erstellen.

Eignet sich im Unterricht für:

– Brainstorming

– Stille Diskussion bzw. Placemat-Methode

– Linksammlungen

– Plakatgestaltung

– Kopfrechenaufgaben

– Lernwörter diktieren und kontrollieren

Idee 2: Offener Unterricht – coronakonform

Wer mir auf Instagram folgt und hier meine Blog-Artikel gelesen hat, weiß, dass ich große Verfechterin der Atelierarbeit bin. Diese Art des Unterrichtens hat ihren Ursprung in der Reformpädagogik und versteht sich als Weiterentwicklung des Werkstattunterrichts nach Freinet. Sie wurde von Baumann und Talgeh in Ingelheim entwickelt. Das Thema steht im Mittelpunkt und wird von verschiedenen Zugängen und Blickwinkeln betrachtet sowie zielorientiert erarbeitet. Unzählige Methoden werden dabei fast nebenbei integriert und sorgen dafür, dass die Schüler intrinsisch motiviert, selbsttätig und selbstbestimmt, ergebnisorientiert und individuell lernen können. Der Lehrer bereitet die Lernumgebung vor und stellt ausreichend Materialien zur Verfügung. Während der Atelierarbeit selbst ist er Beobachter, Berater und Begleiter.

Bei der Entwicklung dieser Unterrichtsmethode spielten digitale Medien noch keine Rolle. Sie lassen sich allerdings hervorragend integrieren. Vorteil: Die digitalen Endgeräte stehen nicht im Mittelpunkt, sondern das Kind in der Auseinandersetzung mit dem Thema. Tablet & Co sind Hilfsmittel und unterstützen den Lernprozess. Die digitalen Auftragskarten unterstützen den Medienkompetenzerwerb der Kinder.

Ich spreche deshalb auch gerne von Entdeckerräumen, die man sowohl analog als auch digital betreten kann. Die Aufträge in den Entdeckerräumen sind universell gestaltet, sie lassen eigene Ideen der Kinder zu. Auch die Sozialform ist normalerweise frei wählbar, es gibt keine Einschränkungen. Flexible Seating ist Programm.

Hier gelten derzeit klare Einschränkungen. Wenn mehrere Kinder an einem Auftrag arbeiten, muss dies mit dem nötigen Abstand erfolgen. Zusätzliches Händewaschen ist obligatorisch. Doch das stellt für die Kinder kein Problem dar. Sie sehen die Chance!

„Aha. Klingt interessant, aber das ging mir jetzt zu schnell!“

-> Mehr zu diesem Konzept: s. Artikel „Medienbildung im Unterricht“

Idee 3: Flip your class!

Schon lange vor Corona liebäugelte ich mit diesem Konzept, doch jetzt gilt’s! Der Gedanke: Die Schüler bekommen als Hausaufgabe den fachlichen Input und üben dann am nächsten Tag – gemeinsam mit ihrer Peer-Group – im Unterricht. Klingt nach Spielerei? Lasst uns kurz gemeinsam träumen. Bist du bereit?

Du hast während der Schulschließungen viele Lernvideos gedreht, interaktive PDFs oder Learning Apps erstellt oder im Internet zusammen gesucht. Das war anfangs eine große Herausforderung für dich. Aber mittlerweile hast du den Dreh raus, da du sehr viel Zeit und Mühe investiert hast. Und nun? Jetzt stehst du vor deiner Klasse und brauchst sie gar nicht mehr? Weit gefehlt! Du kannst Lernvideos und interaktive Inhalte als Hausaufgabe für fachlichen Input nutzen. Die Kinder können sich die Inhalte zu Hause wann und wo sie wollen aneignen. In ihrem Tempo. Videos anhalten, mitschreiben und nochmals schauen. In der Schule wird dann geübt. Du bist wichtiger Lernbegleiter und siehst, wo es vielleicht noch Erklärungsbedarf gibt. Kinder fühlen sich sicherer, wenn sie gemeinsam in der Schule üben und nicht alleine vor den Hausaufgaben sitzen und dann merken, dass sie den Lerninhalt in der Schule doch noch nicht so richtig verstanden haben.

Ich bin ehrlich: Auf einen „flipped Classroom“ in vollem Umfang würde ich – im Grundschulbereich – verzichten. Aber „flipped Elements“ sind zukunftsträchtig!

Derzeit befinde ich mich dazu in der Findungsphase. Probiere dann aus, wenn mir danach ist, bin im Fluss aber setze mich nicht unter Druck.

Als wir uns in den letzten Zügen des Distanzlernens befanden, habe ich die schriftliche Division eingeführt. Durch die Vielzahl an Zwischenschritten ist dieses Rechenverfahren sehr komplex und für die SuS oft nicht auf Anhieb zu verstehen. Mir ließ es keine Ruhe, die Kinder damit zu Hause „allein“ zu lassen.

Folgende Ausgangslage:

Es ging um zwei aufeinanderfolgende Tage, an denen meine SuS verschiedenen „Lerntypen“ zugeordnet werden konnten:

Lerntyp „Schule“: an beiden aufeinanderfolgenden Tagen in der Notbetreuung bei mir im Klassenraum

Lerntyp „Zuhause“: an beiden aufeinanderfolgenden Tagen mit mir in der Webkonferenz

Lerntyp „Mischung“: am ersten Tag zu Hause, am zweiten Tag in der Schule

Von dieser Verteilung ausgehend, hatten alle Kinder unabhängig ihres Standortes die gleiche Lernabfolge:

1. Die SuS schauten sich ein Erklärvideo zur schriftlichen Division an

2. Anschließend „bearbeiteten“ sie eine interaktive PDF, in der Schritt für Schritt noch einmal alles erklärt wurde (-> Danke an @hr.lehrer )

3. Sie rechneten mit ganz einfachen Aufgaben selbst parallel mit mir. Dazu habe ich das Arbeitsblatt am iPad ausgefüllt, dazu gesprochen und die Bildschirmaufnahme laufen lassen -> ganz simpler Weg um einfache Lernvideos zu erstellen.

4. Am nächsten Tag bearbeiten sie weitere Aufgaben und ich kontrolliere, wie gut sie die schriftliche Division verstanden haben.

Und jetzt wird es spannend, hier kommen die Erkenntnisse aus diesem kleinen Experiment:

Die Schüler der Schulgruppe haben die schriftliche Division deutlich schneller und besser verstanden als die Jahrgänge, die ich davor hatte (ich unterrichte in Mathematik Klasse 4 das dritte Jahr in Folge!).

Auch die kleine Gruppe derjenigen, die ausschließlich zu Hause gearbeitet haben, konnten die schriftliche Division weitestgehend. Kleinere Unsicherheiten konnte ich ihnen durch Unterstützung per Webkonferenz schnell nehmen.

Besonders beeindruckend: Das Erlebnis des Lernzuwachses bei der Misch-Gruppe, also der Kinder, die zu Hause den fachlichen Input bekamen und am nächsten Tag in der Schule mit mir übten. Wenn es funktioniert, dass ein solch komplexes Rechenverfahren zu Hause „vorgelernt“ werden kann um dann in der Schule gemeinsam geübt zu werden, dann geht das auch mit anderen Lerninhalten. Wie unglaublich schön meine Lehrerrolle dabei: Ich bin Lernbegleiter und kein Dompteur! Was ein Unterschied zu den Jahren davor, an denen ich Mathestunde für Mathestunde an der Tafel stand und mir den Mund fusselig redete!

Wir stehen mit unseren „flipped Elements“ noch am Anfang. Natürlich habe ich seit der Schulöffnung zunächst Wert auf gemeinsames Unterrichten gelegt und auf Lernen zu Hause erst einmal verzichtet. Doch nur nach einer Woche juckt es mich in den Fingern. Ich möchte es noch einmal testen und erleben. Mit allen Kindern in der gleichen Ausgangsposition, vielleicht sogar mit anschließender Evaluation.

Idee 4: Lernbegleitung zu Hause mit digitalen Pinnwänden oder digitalen Klassenräumen

Padlet, Google Classroom, … es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten sich ein digitales Klassenzimmer einzurichten, bei dem die Kinder Aufgaben und weiterführende Lernangebote finden.

Diese können unseren Unterricht auch weiterhin begleiten. Verzichtet man auf personenbezogene Daten und auf die Kommentar- und Reaktionsfunktionen, bilden diese etablierten Institutionen auch weiterhin eine thematische Begleitung. Dies betrifft den Schulunterricht als auch das Lernen zu Hause. Verwendet man im Musikunterricht z. B. Mitspielpartituren, kann man diese einfach im digitalen Klassenzimmer verlinken. Kinder, die diese Partituren auch zu Hause spielen möchten, haben ungehindert Zugriff. Eltern, die sich für die derzeitigen Lerninhalte interessieren, erhalten einen unkomplizierten Einblick ins Unterrichtsgeschehen. Auch relevante Arbeitsmaterialien können so zur Verfügung gestellt werden. Lesenächte sind nach wie vor noch nicht durchführbar. Eingelesene Vorlesungen der Lehrkraft für zu Hause sind durch die digitalen Klassenräume leicht realisierbar, z. B. auch als eBook mit Bildern. 

Idee 5: Einbindung neuer Kommunikationsmittel in den Unterricht

Dienstmailadresse und Schoolmessenger können Kommunikation erleichtern. Dabei ist es wichtig, nach Gesprächsanlass zu unterscheiden. Prekäre Gesprächsanlässe sollten m. E. immer so persönlich wie möglich geklärt werden um Missverständnisse zu vermeiden. Wenn dies nicht in Präsenz möglich ist, dann über Webkonferenz oder durch ein Telefongespräch. Wenn jedoch die Kinder z. B. eine Rückfrage zu den Hausaufgaben haben, dann ist es sehr hilfreich, wenn sie ein Zeitfenster (!) erhalten, diese Fragen per Mail zu klären und ggf. ein Bild beizufügen. Einige Hausaufgaben eignen sich außerdem dazu, per Mail versendet und digital korrigiert zu werden. Klassenlisten auf dem digitalen Endgerät legt man sich aus Datenschutzgründen am besten mit Pseudonymen an. Eine Hausaufgabenkontrolle am Nachmittag entschlackt den Schulvormittag am nächsten Tag, ohne dass die Kinder dabei auf ihre Arbeitsmaterialien verzichten müssen. Auch bei den Lehrkräften greift das „Flipped-Classroom-Konzept“.

Eltern haben außerdem die Möglichkeit schnell und unkompliziert mit der Lehrkraft Kontakt aufzunehmen. Auch hier gelten festgelegte Zeiten. Umgekehrt kann man mitunter spontaner agieren, wenn man einen spontanen Wandertag per Mail ankündigt und die Hürde eines Elternbriefes mit Rücklaufzettel umschifft. Für eine weitere „Entzettelung“ sorgt neben digitalen Rückmeldungen auch die Verwendung von digitalen Notizbüchern, in denen man bequem auf Klassenlisten zugreifen kann.

Also nur Frontalunterricht seit der Schulöffnung? Nö! Weit gefehlt!

#herzmachtschule

Eure Susanne

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